Es ist 10:00 Uhr morgens an der St. Maria Kirche in Stuttgart. Die 7a der Eichendorfschule trifft im Vorraum der Kirche ein. „Warum sind wir in der Kirche?“, fragt ein Schüler. Der Grund ist unser Besuch bei Harrys Bude. Die Einrichtung durfte sich vor vier Jahren während der Pandemie auf dem Gelände der Kirche niederlassen und blieb bis heute dort ansässig. Harrys Bude – das ist eine kleine Theke in Stuttgart-Süd, an der gerettete Lebensmittel ausgegeben werden. Im Gegensatz zu der Tafel darf dort jeder kommen, ohne einen Nachweis zu erbringen.
Wir sitzen im Kreis und lauschen Dr. Elena Ramirez. Die Ökonomin sitzt im Kirchengemeinderat und arbeitet eng mit Harry Pfau zusammen. Heute bringt sie den Schüler*innen Daten und Fakten näher. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Stuttgart die zweit-höchste Quote an Obdachlosen in Deutschland hat [1]? Oder, dass es 48 Liter Wasser braucht, um eine einzige Tomate zu produzieren [2]? Auch Harry, der Namensgeber und Gründer der Einrichtung meldet sich zu Wort. Er selbst sei lange obdachlos gewesen und wisse, dass das Thema oft mit Scham behaftet sei. Ihm ist es wichtig, dass Schüler*innen in Kontakt mit Menschen in der Obdachlosigkeit kommen.
Neben Elena und Harry sitzen zahlreiche andere Erwachsene in der Runde: Der Klassenlehrer der 7a, drei Mitarbeitende der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft, Sabine Weick von der Abteilung Klimaschutz der Stadt Stuttgart und zwei Praktikantinnen. In der Organisation war außerdem die Abteilung Bildungspartnerschaft der Stadt Stuttgart beteiligt.
Nach der ausführlichen Einführung stecken die Schüler*innen voller Tatendrang. Wir teilen uns in zwei Gruppen auf. Eine Gruppe soll an der Bude bleiben und Lebensmittel verteilen. Die andere Gruppe geht auf den Stuttgarter Wochenmarkt und sammelt Lebensmittel von den Händler*innen.
Gesagt, getan: Zu sechst stehen die Schüler*innen hinter dem Tresen und geben fleißig Essen aus (siehe Titelbild). Währenddessen zieht die zweite Gruppe, ausgerüstet mit Lastkarren und Marktkisten, los. Auf dem Markt heißt es dann anpacken: Die Kisten müssen befüllt und sortiert werden.
Während die einen Packen helfen, ziehen die andern von Stand zu Stand und Interviewen die Inhaber*innen…
Schätzfrage: Wie viele Tonnen Nahrungsmittel werden in Deutschland pro Jahr entsorgt? Die richtige Antwort: 11 Millionen Tonnen [3].
Frage: Warum verschenken Sie Lebensmittel an Obdachlose? Die Antwort einer Befragten: „Weil die Lebensmittel zu schade sind zum Wegwerfen. Darum sind wir froh, dass es Harry gibt – weil wir wissen, dass diese dann noch sinnvoll weiterverwendet werden“.
Erschöpft kehren wir vom Markt zurück mit reicher Ausbeute. In einem letzten Endspurt werden die Lebensmittel für die Ausgabe einsortiert. Danach übergeben wir an die zahlreichen Ehrenamtlichen und treffen uns im Abschlusskreis. Die 7a ist sich einig: Heute waren wir alle ein bisschen mutig, haben gute Gespräche geführt und vor allem etwas dazu gelernt.
Literaturverzeichnis
- dpa. (11. 09 2022). Stuttgarter Zeitung. Stuttgart bei Wohnungslosigkeit ganz vorne mit dabei. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nur-eine-stadt-hat-hoehere-zahlen-stuttgart-bei-wohnungslosigkeit-ganz-vorne-mit-dabei.bf059c01-b297-4149-ac64-e223c4bab17a.html
- Bundjugend-bw. (18. 10 2024). https://www.bundjugend-bw.de/aktionstage/virtuelles-wasser/beispiele
- Umweltbundesamt. (18. 10 2024). https://www.umweltbundesamt.de/themen/essen-fuer-die-tonne-11-mio-tonnen-lebensmittel